Während das Thema Qualzucht bei Hunden längst geläufig ist, wissen nur wenige Menschen, dass dieses Problem auch bei Kleintieren besteht. Wenn Zuchtziele verfolgt werden, führt dies oft zu Qualzuchten, so auch bei Kaninchen und Meerschweinchen. Die Leidtragenden sind dabei immer die Tiere.
Dieser Beitrag informiert über Qualzuchten bei Kaninchen und Meerschweinchen und zeigt auf, warum die Tiere unter dieser Zucht leiden.
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Warum gibt es Qualzuchten bei Kleintieren?
Ob Schlappohren, außergewöhnliche Fellfärbung oder Zwergwuchs: Viele Erwachsene und Kinder empfinden ein außergewöhnliches Aussehen bei sogenannten Haustieren als besonders süß oder niedlich. Dabei handelt es sich allerdings meist um Zuchtmerkmale, die den Tieren bewusst angezüchtet wurden. Sie sind immer mit Tierleid verbunden und führen nicht selten zu schwerwiegenden Krankheiten.
Neben genetisch angezüchteten Krankheiten beeinflusst die Zucht oftmals auch das Verhalten der Tiere. Ein stark verändertes Aussehen, beispielsweise aufgrund einer züchterisch veränderten Körperform oder Fellfärbung, kann die gegenseitige Kommunikation der Tiere beeinträchtigen und zu Aggressionen und Angst führen. Eigentlich sind Kaninchen und Meerschweinchen jedoch sehr gesellige Lebewesen, die in sozialen Verbänden und Strukturen leben und auf unterschiedlichste Weise miteinander interagieren.
Um den ästhetischen Idealvorstellungen von Menschen zu genügen und bei Zuchtausstellungen Auszeichnungen zu erlangen, werden den Tieren zunehmend unnatürliche Merkmale angezüchtet. Aufgrund eines eingeschränkten Genpools erfolgt dies oftmals durch Inzucht, also die Verpaarung verwandter Tiere, was die Problematik dadurch entstehender genetisch bedingter Krankheiten zusätzlich verschlimmert.
Das bestehende Tierschutzgesetz schützt die betroffenen Tiere dabei nur bedingt. Zwar ist es laut §11 b verboten, Tieren Merkmale anzuzüchten, untern denen sie leiden, jedoch fehlt bis heute eine entsprechende Definition von Qualzuchten im Gesetz.
Bei welchen Rassen handelt es sich um Qualzuchten?
Die folgenden „Rassen“ sind in der Kaninchen- und Meerschweinchenhaltung sehr beliebt. Dennoch handelt es sich um Qualzuchten, die mit enormem Tierleid verbunden sind.
1. Widderkaninchen
Widderkaninchen sind bekannt für ihre langen Schlappohren und ein dadurch vermeintlich süßes Aussehen. Doch genau dieses Aussehen sorgt bei den Tieren für großes Leid und Einschränkungen im täglichen Leben. Die natürliche Ohrenform von Kaninchen sind Stehohren, jedoch keinesfalls Hängeohren. Durch die hängenden Ohren wird der Gehörgang des Kaninchens abgeknickt und das Eindringen von Luft erschwert. Dies fördert schmerzhafte Entzündungen im Gehörgang, die oftmals langwierig und schwer zu behandeln sind. Schlecht durchlüftete Gehörgänge bedeuten zudem eine eingeschränkte Schallwellenübertragung, was dazu führt, dass die betroffenen Kaninchen nicht so gut hören können wie ihre Artgenossen mit Stehohren. [1]
Hängeohren schränken Kaninchen zudem in ihrer Beweglichkeit ein, denn die langen Ohren schleifen in vielen Fällen auf dem Boden. Folglich treten die Tiere häufig darauf und sind anfälliger für schmerzhafte Verletzungen durch ihre Umwelt oder Artgenossen. Bei Kaninchen handelt es sich um Fluchttiere, die auf Sinne wie Hören und Sehen angewiesen sind. Unter den langen Hängeohren leidet jedoch nicht nur das Gehör, auch das Sichtfeld der Tiere wird dadurch enorm eingeschränkt. [2]
2. Teddykaninchen
Bei Teddykaninchen handelt es sich um eine sogenannte Langhaarrasse, zu der unter anderem auch Angorakaninchen zählen. Ihr typisches Merkmal ist ein sehr langes und feines Fell. Doch genau dieses Fell führt bei den Kaninchen zu Leid und Stress.
Kaninchen, die nicht züchterisch verändert wurden, können das ihrer Art entsprechende natürliche Haar problemlos selbst pflegen und sauber halten. Bei Langhaarkaninchen ist das jedoch nicht möglich, denn das angezüchtete dauerhafte Fellwachstum und die unnatürliche Länge der Haare führen häufig zu Verfilzungen und Verklebungen. Zuchtbedingt ist es daher erforderlich, dass Tierhalter:innen die langen Haare der Kaninchen kämmen und die Tiere scheren, da sie sonst einen Nährboden für Parasiten und entzündliche Wunden darstellen. Diese ständige Körperpflege ist für Kaninchen als Fluchttiere ein besonders stressvolles und anstrengendes Unterfangen, das mit einer hohen Verletzungsgefahr verbunden ist, beispielsweise durch Schnittwunden. Verfilzungen im Fell sind für die Tiere nicht nur besonders schmerzhaft, sondern bergen zudem die Gefahr eines Madenbefalls durch gefährliche Kotverschmierungen und entzündete Körperstellen.
Das lange Fell kann besonders im Sommer zu einem Hitzestau führen und die Tiere in eine lebensgefährliche Situation bringen. Daneben sind die Kaninchen anfällig für Hornhautentzündungen, da die langen Haare in ihre Augen hängen und unablässig daran reiben. Da die Tiere durch die Fellpflege große Mengen der langen Haare aufnehmen, führt dies oftmals zu Verstopfungen im Darmbereich. Daneben sind die Kaninchen aufgrund der langen Haare in ihrer Beweglichkeit und ihrem Sichtfeld eingeschränkt und können dadurch kein artgerechtes Leben führen. [3]
3. Zwergkaninchen
Als Zwergkaninchen werden Kaninchen bis zu einem Gewicht von 2 Kilogramm bezeichnet. Ein Merkmal von Zwergkaninchen ist der stark verkürzte Kopf, der häufig zu Zahnproblemen und infolge von Zahnbehandlungen zu immer wiederkehrenden Schmerzen und Stress führt. Aufgrund der Zahnfehlstellung können die Kaninchen nicht genug Nahrung aufnehmen, was angesichts des hochsensiblen Verdauungstrakts der Tiere schnell zu einer lebensgefährlichen Situation führen kann. Weitere Beschwerden sind Verengungen im Bereich des Tränennasenkanals, die chronischen Schnupfen und Augenentzündungen bewirken können, sowie Atembeschwerden. [3]
Reinerbige Zwergkaninchen wiegen meist weniger als 1,5 Kilogramm. Bei der Verpaarung von reinerbigen Kaninchen kommt es zu einem genetischen Fehler, der bei den meisten Jungtieren zum Tod führt. Die fortgesetzte Zucht mit dem Ziel, immer kleinere und niedlichere Kaninchen zu schaffen, fügt den Tieren enorme lebenslange Qualen und Leid zu. [2]
4. Albino-Kaninchen
Als Albinos werden Kaninchen mit komplett weißer Fellfärbung, rosa Haut und roten Augen bezeichnet. Grund für die weiße Fellfarbe ist das Fehlen des Pigments Melanin, das für eine Dunkelfärbung von Haut und Fell zuständig ist. Besonders kritisch ist die Rotfärbung der Augen, die bei den Tieren oftmals zu einer starken Sehbehinderung führt. Die Kaninchen sehen nicht scharf, nehmen Kontraste schlechter wahr und sind meist kurz- oder weitsichtig.
Albinos sind zudem sehr lichtempfindlich und anfälliger für Sonnenbrand und Hautprobleme. Während andere Kaninchen den Aufenthalt im Freien im Sommer draußen problemlos genießen, bedeutet er für Albino-Kaninchen Leid und Stress. Die lichtempfindlichen Augen reagieren sehr schnell auf das starke Sonnenlicht, sodass sich die meist schon vorhandene Sehschwäche verschlimmert. Bereits ein kurzer Aufenthalt in der Sonne kann einen schmerzhaften Sonnenbrand auf der empfindlichen Haut der Tiere auslösen, sodass Albino-Kaninchen nur im Schatten gehalten werden können. [2]
5. Nacktmeerschweinchen
Zu den sogenannten Nacktmeerschweinchen gehören die Rassen „Skinny“ und „Baldwin“. Wie der Name sagt, sind diese Meerschweinchen meist komplett nackt. Baldwin-Meerschweinchen haben zudem weder Wimpern noch Tasthaare, was die Tiere im täglichen Leben stark einschränkt, denn der Tastsinn ist für Meerschweinchen überlebenswichtig. Aufgrund ihres besonders schwachen Immunsystems stehen Nacktmeerschweinchen Krankheitserregern hilflos gegenüber und können nach nur wenigen leidvollen Wochen sterben. Hinzu kommt, dass die Tiere meist kleinwüchsig sind. [4]
Die Rasse „Skinny“ verfügt zwar über Wimpern und Tasthaare, leidet aber dennoch unter dem Fehlen des schützenden und wärmenden Fells. Aufgrund dessen sind die Tiere bei Streitereien den Bissen von Artgenossen schutzlos ausgeliefert. [5]
6. Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen
Bei Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen handelt es sich um Tiere mit weißer oder gescheckter Fellfärbung. Ähnlich wie bei Albino-Kaninchen kommt es bei einer reinerbigen Verpaarung häufig zu schwer missgebildeten oder toten Nachkommen.
In der Regel sind die Jungtiere zahnlos und blind. Zudem weisen sie weitere schwerwiegende Organschäden auf, die spätestens nach der Geburt häufig zum Tod führen. Auch für die Mutter kann eine Geburt von Babys mit Fehlbildungen lebensbedrohlich sein. Die Zucht dieser Tiere ist risikobehaftet, mit enormen Tierleid verbunden und damit unverantwortlich. [5]
7. Satin-Meerschweinchen
Satin-Meerschweinchen sind für ihr besonders glänzendes Fell bekannt. Dieser Glanz entsteht, weil die Haare der Tiere innen hohl sind und so das Licht besser reflektieren. Viele Satin-Meerschweinchen leiden an einer unheilbaren, genetisch vererbbaren Knochenerkrankung namens „Satin-Krankheit“ oder „Osteodystrophie“. [6]
Die Krankheit, die meist zuerst das Hüftgelenk und den Kiefer betrifft, ist auf eine Stoffwechselstörung zurückzuführen, die dem Knochen kein Calcium zuführt, sondern entzieht. Folglich können die Tiere immer schlechter Nahrung aufnehmen und sich nicht mehr richtig bewegen. Auch wenn man die Erkrankung durch ein Röntgenbild erkennen kann, ist sie nicht behandelbar und führt für betroffene Tiere zu großem Leid. Bei fortgeschrittener Krankheit bleibt meist nur das Erlösen der Meerschweinchen. [7]
Die hier dargestellten Rassen, Erkrankungen und Symptome erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind vielmehr Beispiele für das Leid von qualgezüchteten Kaninchen und Meerschweinchen. Die meisten Rassen sind gleichzeitig von mehrfachem Leid betroffen, sodass in diesem Rahmen nicht alle Erkrankungen und Auswirkungen der Qualzucht genannt werden können.
Helfen Sie, Qualzuchten abzuschaffen
- Kaufen Sie niemals ein Meerschweinchen oder Kaninchen beim Züchter oder im Zoohandel. Dort geht es nicht um das Wohl der Tiere, sondern allein um den Profit, den man mit der „Ware“ Tier machen kann. Die Tiere werden massenhaft und ohne Rücksicht auf ihr Wohlergehen unter schlimmsten Zuständen „produziert“.
- Sollten Sie sich nach reiflicher Überlegung dazu entscheiden, ein Meerschweinchen oder Kaninchen aufzunehmen, wenden Sie sich bitte an ein örtliches Tierheim oder einen Tierschutzverein. Dort warten viele Tiere auf ein liebevolles neues Zuhause.
- Unterschreiben Sie bitte unsere Forderung nach einem Heimtierschutzgesetz, mit der wir uns für ein Verbot von „Qualzuchten“ aussprechen. Nur so kann das Leid der Tiere beendet werden.
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Quellen
[1] Rückert, Ralph – Tierarzt (2015): Zwei kurze Anmerkungen für Kaninchenfreunde: https://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=19092 (eingesehen am 04.02.2022)
[2] Schillinger, Viola – Kaninchenwiese (2020): Qualzuchten https://www.kaninchenwiese.de/qualzuchten/#Widder_Schlappohren (eingesehen am 04.02.2022)
[3] Möhren sind Orange e.V.: Qualzuchten https://www.moehren-sind-orange.de/qualzuchten/ (eingesehen am 09.02.2022)
[4]Areschin, Elias – Meerschweinchen sein: Qualzuchten bei Meerschweinchen https://meerschwein-sein.de/zucht/qualzuchten/#/ (eingesehen am 04.02.2022)
[5]Reich, Marion – Meerschweinchenberatung: http://www.meerschweinchenberatung.at/rassen6.html (eingesehen am 04.02.2022)
[6] Tierärztejammer Berlin: Ratsch, Heidemarie: Das heimliche Leid der kleinen Heimtiere, Fische und Vögel (2019): https://www.tieraerztekammer-berlin.de/images/qualzucht/2019-QuII-PK-Kurzberichte.pdf (eingesehen am 04.02.2022)
[7] Meerschweinchenhilfe e.V. – Satinmeerschweinchen: https://www.meerschweinchenhilfe.de/index.php?page=108 (eingesehen am 04.02.2022)