Handeln Tierversuchs­kommissionen zum Wohle der Tiere?

Ein Affe in einem Kaefig.
Symbolbild

Vor der Durchführung eines Tierversuchs muss der vorgelegte Antrag zunächst genehmigt werden. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Tierversuchskommission ein, die die entsprechende Genehmigungsbehörde unterstützen und beraten soll.

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie sich Tierversuchskommissionen zusammensetzen, welche Funktion sie einnehmen und vor welchem Problem hinsichtlich des Tierschutzes diese Ausschüsse stehen.

Inhalte im Überblick

Was ist eine Tierversuchskommission?

Tierversuchskommissionen, fälschlicherweise oft als „Ethik-Kommissionen“ bezeichnet, haben die Aufgabe, Stellungnahme zu Tierversuchsanträgen abzugeben. Die Anträge sollen dabei insbesondere auf ihre Alternativlosigkeit, Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit geprüft werden. Anschließend wird bei der Genehmigungsbehörde eine Empfehlung zur Genehmigung, unter Umständen auch nur teilweise oder mit Auflagen, oder eine Ablehnung abgegeben.

Wer ist Teil einer Tierversuchskommission?

Tierversuchskommissionen setzen sich aus Vertretenden der Bereiche Wissenschaft und Tierschutz zusammen, wobei letztere in diesen Gremien nur 30 bis maximal 50 Prozent stellen. Umso wichtiger ist es daher, dass diese Menschen tatsächlich im Interesse der Tiere handeln und ihre Berufung wohlüberlegt erfolgt. Leider erschweren die Behörden diesbezüglich die Arbeit der Tierschutzseite enorm: So wurde 2023 ein weiteres Mal eine von PETA Deutschland als ordentliches Mitglied vorgeschlagene Wissenschaftlerin für die Neubesetzung der 1. Tierversuchskommission in Tübingen lediglich als Stellvertreterin in die 2. Kommission berufen – obwohl diese gar nicht zur Neubesetzung anstand.

Auch 2020 wurde schon so vorgegangen. Trotz nachweislicher wissenschaftlicher Expertise wurden Vertretende von tierversuchskritischen Tierschutzorganisationen entweder gar nicht berücksichtigt oder lediglich als Stellvertretung besetzt. Darüber wurde seinerzeit in Baden-Württemberg auch in den Medien berichtet. [1] Andere langjährige Mitglieder wurden nicht wieder berufen und wandten sich deswegen im November 2023 schließlich in einem offenen Brief an das Regierungspräsidium Tübingen.

Besetzungsprozess ist weder einheitlich noch unbefangen

Einzelne Behörden in Deutschland besetzen ihre Tierversuchskommissionen paritätisch, d. h. Vertretende des Tierschutzes und solche mit wissenschaftlicher Fachkenntnis sind ausgewogen vertreten. Dies ist in deutschen Regularien jedoch noch immer nicht zwingend vorgesehen.

Laut § 42 der Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) muss eine Mehrheit der Kommission die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse in Veterinärmedizin, Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung nachweisen. Mindestens ein Drittel der Kommission sollte den Tierschutz vertreten und wird dazu von Tierschutzorganisationen vorgeschlagen. Diese Personen müssen aufgrund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sein, können darüber hinaus aber auch entsprechende Fachexpertise aufweisen. Fachleute anderer Bereiche, wie Recht oder Ethik, bleiben in den Vorgaben unberücksichtigt. Dabei wäre ihre Objektivität und Unvoreingenommenheit für eine unabhängige Betrachtung der Versuchsvorhaben sicherlich ein Gewinn, zum Beispiel im Hinblick auf die oft zitierte Forschungsfreiheit.

Wie unzulänglich der Besetzungsprozess mitunter abläuft, wird auch an folgendem Beispiel deutlich: Obwohl in Baden-Württemberg laut einem Erlass des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) aus dem Jahr 2013 eine paritätische Besetzung vorgesehen ist, wurde dies bei der Besetzung in 2020 nicht umgesetzt. Wir von PETA Deutschland verfassten daraufhin zusammen mit der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT) und weiteren Vertretungen des Tierschutzes einen offenen Brief an die entsprechenden Instanzen des Regierungspräsidiums Tübingen sowie des MLR.

Kurz nach der Übergabe dieses Briefes mit mehr als 6.500 Unterschriften von Unterstützenden wurde die Tierversuchskommission im August 2020 entsprechend unserer Forderung paritätisch besetzt. Unsere Kandidatin wurde dabei jedoch, wie bereits erwähnt, lediglich als Stellvertreterin in die zweite Kommission berufen – obwohl sie aufgrund ihrer Ausbildung sogar die Anforderungen für die naturwissenschaftliche Fachkenntnis erfüllte.

Die dürftige Praxis der Besetzung in deutschen Tierversuchskommissionen wurde 2023 auch wiederholt in der Presse thematisiert. [2, 3]

  • Unter anderem wurde aufgegriffen, dass ein großer Teil der Tierschutzvertretungen in Kommissionen aus den Reihen einer tierärztlichen Organisation stammt und selbst oftmals Tierversuche durchführt oder aufgrund seiner Tätigkeiten als Tierschutzbeauftragte oder Behördenmitglieder ebenfalls beruflich mit Tierversuchen befasst ist.
  • Teilweise soll es vorgekommen sein, dass Betroffene über ihren eigenen Versuch „beraten“ durften und nicht von der Beratung ausgeschlossen wurden. [4]
  • Ähnlich wie für Vertretungen der Forschungsgemeinschaft in den Kommissionen müsste man also zumindest die Frage nach der Befangenheit stellen, wenn Personen, die Tierversuche durchführen, über die Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit von Tierversuchsanträgen ihrer eigenen oder der ihrer mitarbeitenden Personen entscheiden sollen.

Bewertungspraxis von Tierversuchskommissionen weist erhebliche Mängel auf

Bei der Bewertung von Tierversuchsanträgen müssen Kommissionsmitglieder unter anderem entscheiden, ob sie ein Versuchsvorhaben für wissenschaftlich unerlässlich und ethisch vertretbar halten. Hierbei sollte vor allem die Frage gestellt werden, ob ein Versuch wissenschaftlich überhaupt sinnvoll ist. Dies wird jedoch mit folgenden Maßnahmen erschwert:

  1. Zum einen werden Versuchsanträge nicht den wissenschaftlichen Kommissionsmitgliedern mit entsprechend geeigneter wissenschaftlicher Fachkenntnis zur Evaluierung zugewiesen, sondern in den verschiedensten Forschungsbereichen gestellt. Es ist daher gang und gäbe, dass etwa eine Person, die in der Krebsforschung arbeitet, darüber zu befinden hat, ob ein Versuch zur Erforschung von Alzheimer-Demenz an einer speziell genetisch manipulierten Gruppe von Mäusen sinnhaft ist – obwohl diese Person nicht zwingend über das notwendige Fachwissen verfügt.
  2. Zum anderen sind die Anträge in einer Sprache formuliert, die teilweise sogar für Forschende im Bereich der Naturwissenschaft unverständlich ist. Dies erschwert eine adäquate Einschätzung zusätzlich.

Die Vorgehensweise bei der Bewertung von Tierversuchsanträgen wäre bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen absolut undenkbar. Bei wissenschaftlichen Publikationen werden Fachleute aus demselben Fachgebiet in einem sogenannten Peer-Review-Verfahren um eine sachkundige Einschätzung gebeten, ob die zu veröffentlichende Arbeit methodisch robust und wissenschaftlich signifikant genug ist, um in einer Fachzeitschrift gedruckt zu werden.

Im Gegensatz dazu verlässt man sich bei der Bewertung, ob ein Versuch es rechtfertigt, Tausende Tierleben zu opfern, offensichtlich vor allem auf die Aussagen der Antragsstellenden.

Grafik. Zeitstrahl Anzahl missbrauchter Tiere in Tierversuchen

Ein weiteres Problem ist der Zeitfaktor. Die Vorbereitungszeit für Kommissionssitzungen beträgt oftmals weniger als zwei Wochen, und die Arbeit als Kommissionsmitglied erfolgt oftmals ehrenamtlich in der Freizeit. Es ist daher mehr als zweifelhaft, ob alle Kommissionsmitglieder über die erforderliche Zeit verfügen, um sich umfassend vorzubereiten und ggf. fehlende Fachkenntnis durch vorbereitende Recherche auszugleichen. Vielfach fehlt ihnen hierzu auch der Zugang zu wissenschaftlichen Quellen. Erschwerend kommt hinzu, dass weder der Zeitaufwand noch eventuelle Kosten für Recherche entschädigt werden. Dafür sehen beispielsweise die Regierungspräsidien in Baden-Württemberg keine finanziellen Mittel vor. [5] Die Kommissionsmitglieder erhalten lediglich eine zu versteuernde Aufwandsentschädigung.

Ein weiterer Punkt, den man nicht außer Acht lassen sollte, ist die Tatsache, dass die Abstimmungen in aller Regel offen stattfinden, d. h. jede in der Sitzung anwesende Person sieht, wer für oder gegen einen Versuch gestimmt oder sich enthalten hat. Geheime Abstimmungen wären bei sensiblen Themen wie diesen sicherlich die bessere Wahl. Damit ließe sich verhindern, dass einzelne Teilnehmende aufgrund von Befangenheiten möglicherweise nicht den Mut haben, gegen Anträge anderer Mitglieder des Forschungskollegiums zu stimmen. Im Falle eines Stimmengleichstands bei offenen Abstimmungen entscheidet nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) in Baden-Württemberg zudem die Stimme des oder der Kommissionsvorsitzenden [6] – in der Regel eine Vertretung der Wissenschaft.

Eine Kommissionsentscheidung hat kaum Gewicht und ist nicht öffentlich

Selbst in den seltenen Fällen, in denen ein Antrag von einer Tierversuchskommission abgelehnt wird, bedeutet das nicht zwingend, dass der Versuch nicht durchgeführt wird. Die Kommission ist lediglich ein Beratungsgremium zur Unterstützung (§ 15 TierSchG) der genehmigenden Behörden und hat keinerlei Vetorecht.

Gemäß § 43 TierSchVersV sind Fälle, in denen Tierversuchskommissionen Bedenken hinsichtlich der ethischen Vertretbarkeit (lt. § 7a Abs. 2 Nr. 3 TierSchG) eines Versuchsvorhabens erheben, dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu melden. Solche „Fälle von grundsätzlicher Bedeutung“ wurden im Tierschutzbericht 2023 des BMEL für den Berichtszeitraum 2019 bis 2022 lediglich 76 Mal gemeldet. [7] Zum Vergleich: Allein in Berlin und allein im letzten Jahr dieses Zeitraums, 2022, gingen 135 Anträge ein. [8]

Da das Vorgehen in den Kommissionen der Schweigepflicht unterliegt, erfolgt das Genehmigungsverfahren von geplanten Tierversuchen wie auch das Besetzungsverfahren der Kommissionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sowohl die Besetzung als auch die Entscheidungen der Kommissionen werden also nirgends veröffentlicht.

Laienverständliche, jedoch sehr verkürzte Versionen von genehmigten Tierversuchsprojekten sind in der EU als sogenannte „nicht-technische Projektzusammenfassungen“ (NTPs) zu veröffentlichen. In Deutschland erfolgt dies in der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verwalteten und öffentlich zugänglichen Datenbank „AnimalTestInfo“ [9]. Allerdings wird dort nicht angegeben, in welchem Umfang eine Tierversuchskommission einbezogen wurde, geschweige denn, wie ihr Votum ausfiel oder ob es aufgrund von Nachfragen der Behörden oder der Kommission Änderungen am Originalantrag gab.

Zudem sind die verkürzten und anonymisiert veröffentlichten NTPs aufgrund ihrer mangelnden Detailliertheit nicht geeignet, den Kommissionsmitgliedern oder Genehmigungsbehörden ein geeignetes Instrument an die Hand zu geben, um zu überprüfen, ob es sich bei dem vorliegenden Versuchsantrag um einen unzulässigen Doppel- oder Wiederholungsversuch handelt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b TierSchG).

Inspiration aus der Schweiz: Tierschutz und Ethik in Kommissionen

Im Schweizer Kanton Zürich befinden sich unter den 11 Mitgliedern der Kommissionen nicht nur Personen mit Fachkenntnis für „Tierversuchskunde“, sondern auch solche für die Bereiche Tierschutz und Ethik. Alle Anträge, die für Tiere belastend sind, werden vorgelegt. Die Kommission ist sogar Teil des Kontrollorgans, in dem Versuchstierhaltungen inspiziert werden – zweimal jährlich auch unangekündigt.

Sollte die Tierversuchskommission einem bereits bewilligten Versuchsvorhaben nicht zustimmen, können Mitglieder Einspruch bei der Behörde oder sogar Beschwerde beim Verwaltungsgericht einreichen. [6]

Nackte Ratte mit Tumoren im Kaefig
Bei Tierversuchen halten sich Verantwortliche nicht immer an die ohnehin dürftigen Vorschriften.

Mängel bei der Beteiligung der Tierversuchskommissionen können sich auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auswirken

Die Einsetzung der Kommissionen erfolgt auf der bundesweit geltenden und rechtlich zwingenden Grundlage des § 15 Abs. 1 S. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG). Dieser Paragraf wurde geschaffen, weil im Rahmen der Reform des Tierversuchsrechts die Voraussetzungen für die Genehmigungen immer mehr verschärft wurden. Die Behörden sollten bei der Prüfung von Personen unterstützt werden, die dies aus fachlicher Sicht und aufgrund ihrer Erfahrung im tierexperimentellen Bereich besonders gut können – um etwa Unerlässlichkeit, die Einhaltung des „3R“-Prinzips (replace, reduce, refine – ersetzen, reduzieren, verbessern) und die ethische Vertretbarkeit von Tierversuchsverfahren beurteilen zu können. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft sollte andererseits durch die Mitwirkung von Vertretungen des Tierschutzes erfolgen.

In der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 431/13 (B) Anlage, 31) findet sich die Formulierung: „Eine paritätische Besetzung der Kommission mit Vertretern der Wissenschaft einerseits und Vertretern des Tierschutzes andererseits ist anzustreben.“ Dies ist insbesondere zu erreichen, wenn zu den Vorschlägen der Tierschutzorganisationen auch Personen gehören, die sowohl wissenschaftliche Fachexpertise nachweisen können als auch den Tierschutz vertreten. Die Tierversuchskommissionen haben nach dem Willen des Verordnungsgebers große Bedeutung für das Verfahren. In der Praxis fehlt es jedoch an der Umsetzung.

Einige der genannten Mängel könnte man bundesweit bereits jetzt praktisch beheben, ohne dass man dazu das Gesetz ändern müsste: [10]

  • Befangenheit: Ein Mitglied darf nicht mitwirken und kann ausgeschlossen werden, wenn es etwa an dem betreffenden Vorhaben selbst beteiligt oder besonders interessiert („befangen“) ist. Hier gilt das Verwaltungsverfahrensrecht – und hat Vorrang vor jeglichen Praktikabilitätserwägungen.
  • Ausgewogenheit: Eine paritätische Besetzung der Kommissionen ist anzustreben.
  • Vollständigkeit und Verständlichkeit: Anträge in unverständlicher Sprache oder unzureichende Ausführungen zur Unerlässlichkeit und ethischen Vertretbarkeit verstoßen gegen die Anforderungen des § 31 TierSchVersV.
  • Bearbeitungszeit: Zwischen Zugang der Unterlagen und Sitzungstermin müssen mindestens vier Wochen liegen.

Die Argumente, all dies sei „nicht praktikabel“ und behindere die Arbeit der Genehmigungsbehörden, widerspricht dem Zweck des Gesetzes und dem Prüfauftrag der genehmigenden Behörden. Ein „Kurzhalten“ der Kommissionen, welche ohnehin nur Beratungsfunktion haben, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Zweck zu dienen, der Forschungsfreiheit schon auf dieser Ebene des Genehmigungsverfahrens Vorrang zu geben. Dies lässt das Gesetz so nicht zu. Denn trotz der beratenden Funktion der Tierversuchskommissionen ist ihre Einschaltung und gesetzmäßige Mitwirkung obligatorisch – und Mängel bei Besetzung, Anhörung und Entscheidungsfindung geeignet, neben § 42 TierSchVersVO auch eine Verletzung des Staatsziels „Tierschutz“ (Art. 20a Grundgesetz (GG)) herbeizuführen. Wird die Tierversuchskommission nicht ordnungsgemäß angehört, ist die Tierversuchsgenehmigung aus diesem Grund rechtswidrig und gerichtlich anfechtbar.

Poster Maus im Tierversuch

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