Der Skandal um die Hühnerzucht von Lohmann Tierzucht

Im beschaulichen Cuxhaven an der Nordsee hat der Weltkonzern Lohmann/Aviagen, der Marktführer für die Züchtung und Produktion von „Legehennenrassen“, seinen Sitz. Lohmann Tierzucht ist weltweit die Nr.1 bei der (Qual-)Züchtung von sogenannten Hybridrassen, die entweder auf hohe Lege- oder hohe Mastleistung gezüchtet werden.

Für den Lohmann-/Aviagen-Weltkonzern ist Erich Wesjohann verantwortlich, Bruder des Gründers der PHW-Gruppe, zu der auch die Skandalmarke Wiesenhof gehört.

Update 13. Februar 2016

Historischer Durchbruch

Während das neue Ermittlungsverfahren gegen Lohmann wg. der Tötung der Eintagsküken noch läuft (Az.: NZS 152 Js 8979/15 Staatsanwaltschaft Stade), hat die Staatsanwaltschaft Münster gegen eine andere ebenfalls von PETA Deutschland angezeigte Großbrüterei Anklage zum Landgericht Münster erhoben: Ein historischer Durchbruch in der tierschutzrechtlichen Debatte über die industrielle Tierproduktion (Az.: 540 Js 290/15 Staatsanwaltschaft Münster – 2 KL2 7/15 Landgericht Münster).

Update 14. April 2012

Erfolg: Staatsanwaltschaft ermittelt wieder

Auch wenn bezüglich der Schnabelkürzungen und der Tötung der Eintagsküken der sog. Strafklageverbrauch gegenüber den Lohmann-Verantwortlichen wie Prof. Preisinger eingetreten ist, hat die zuständige Generalstaatsanwaltschaft die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen das Veterinäramt und den Betriebsleiter der Brüterei verfügt. Genau so wie wir von PETA das gefordert haben.

Original-Artikel:

Streng vertrauliche Dokumente enthüllen Tierquälerei

Anfang 2008 gingen vertrauliche, hochbrisante Dokumente bei PETA Deutschland e.V. ein, aus denen erhebliche tierschutzrelevante Missstände bei Lohmann hervorgingen. Aus den Dokumenten geht unter anderem hervor, dass Lohmann seit Jahren Amputationen von Zehen und Kämmen, die sehr gut durchblutet sind, ohne Betäubung vornimmt, obwohl diese durch das Tierschutzgesetz verboten sind!

Vernichten von männlichen Küken

Da bei den hochgezüchteten Legehennenrassen die männlichen Küken „ökonomisch untauglich“ sind, werden sie als Abfall angesehen und entweder vergast oder im sogenannten Kükenmuser getötet. Wir gehen davon aus, dass zumindest ein Teil dieser Küken bei Lohmann getötet wird, ohne „Verwendung“ zu finden. Dies ist durch das Tierschutzgesetz ebenfalls verboten!

Die industriemäßige Be- und Verarbeitung lebender Tiere und leidensfähiger Mitgeschöpfe, die eine Fernsehreportage über den verschwiegenen Lohmann-Konzern aus dem Jahr 2004 sehr anschaulich dokumentiert, bringt es mit sich, dass die Unterscheidung von Leistungslinien, ähnlich wie Industrieware wie Bleche etc. in der Auto- oder Maschinenbauindustrie, in solchen Größenordnungen (millionenfach) Schwierigkeiten bereitet.

PETA stellt Strafanzeige

Nach einer langwierigen Recherche, die nur durch die finanzielle Hilfe unserer Unterstützer möglich war, haben wir am 11.03.2008 eine umfassende Strafanzeige gegen Lohmann erstattet. Aufgrund der vorgelegten Beweise von PETA ermittelte die Staatsanwaltschaft Stade nicht nur gegen Lohmann wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, sondern auch gegen das örtliche Veterinäramt, welches diese rechtswidrigen Praktiken nicht unterbunden hat. Im Januar 2010 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Zentrale von Lohmann, 3 weitere Lohmann-Betriebe und das Kreisveterinäramt Cuxhaven. Das Verfahren läuft unter dem Aktenzeichen NZS 153 Js 9307/08.

Nach 3 Jahren intensiver Ermittlungen und heftiger Gegenwehr ist im September 2011 der Strafbefehl gegen den „deutschen Geflügelpapst“ Prof. Rudolf Preisinger rechtskräftig geworden, zudem die höchste Geldbuße gegen den Lohmann-Konzern, die jemals wg. Tierschutzdelikten in Deutschland verhängt wurde: 100000 Euro.

Dieser Fall zeigt erneut das tierquälerische System der Massentierhaltungsindustrie sowie – und dies ist entscheidend – das ständige Versagen der Behörden, die zum Wohl der Tiere agieren sollten.

Ausnahmen vom Tierschutzgesetz

Manipulationen am Tier selbst sollte das Tierschutzgesetz eigentlich ausschließen. Doch dieses Tierschutzgesetz, von Fachleuten als Tiernutzgesetz gewertet, ist so strukturiert, dass es so gut wie alles, was der Nutzung von Tieren dient, auch möglich macht. So ist es beispielsweise durchsetzt mit Ausnahmegenehmigungen, die, neben dem Schächten, sogar Amputationen bei Tieren in der konventionellen Tierproduktion ohne Betäubung ermöglicht. Dies alles findet im Jahr millionenfach, also im industriellen Maßstab statt.

Maßgeblich für den Geflügelzüchter und -produzenten wie hier Lohmann/Aviagen ist für die Amputation bei Geflügel folgende Ausnahmegenehmigung nach § 5 des Tierschutzgesetzes „Eingriffe an Tieren“: „Für das Absetzen des krallentragenden letzten Zehengliedes bei Masthahnenküken, die als Zuchthähne Verwendung finden sollen, während des ersten Lebenstages.“ „Absetzen“ heißt hier Abschneiden oder Amputation. Bezeichnend für die Begründung dieser Ausnahmegenehmigung ist, dass die Hähne als Einnutzungsrassen so auf extremes Körpergewicht überzüchtet sind, dass sie die Hennen beim Tretakt verletzen – eine Perversion tierzüchterischer Abartigkeiten, die nach Auffassung von PETA Deutschland e.V. beim Weltmarktführer zum routinemäßigen Geschäftsgebaren gehören dürfte.

Für alle sonstigen Unterscheidungsvorgänge/Kennzeichnungen etc. ist es für Geflügel untersagt, irgendwelche Manipulationen/Amputationen an den Tieren vorzunehmen, was u.a. auch § 6 des Tierschutzgesetzes (Verbot von Amputationen) regelt. Bei Lohmann/Aviagen sind jedoch in großem Stil solche unzulässigen Amputationen wie das Abschneiden von Zehen und sogar von Kämmen, die sehr gut durchblutet sind, bei den Legehennenelterntieren (nicht bei den Legehennen selbst) vorgenommen worden. Die Kammanlagen wurden z.B. allein zur Unterscheidung – gesetzeswidrig – teilamputiert. Auch Art. 21 der Europaratsempfehlungen lässt solche Amputation nicht zu.

PETA Deutschland e.V. verfügt über Hinweise, dass die Verantwortlichen von Lohmann/Aviagen wussten, dass die Kammamputationen allein zur Identifikations-Unterscheidung (Farbsexing) gesetzeswidrig waren – und dennoch wurde dies rein aus ökonomischen Gründen fortgeführt. Die Ausrede, ausländische Betriebe würden dies so wünschen, setzt nicht die deutschen Gesetzlichkeiten, die ohnehin schwach genug sind und für die Tiere in der industriell ausgerichteten Agrarindustrie nur einen minimalen Schutz bedeuten, außer Kraft.

Die Tötung „ökonomisch taugloser“ Küken

Auch die Tötung der männlichen Eintagsküken, die bei den hochgezüchteten Legehennenrassen „ökonomisch untauglich“ sind, ist scharf zu kritisieren. Eine Tötung „ohne Nutzung“ verstößt, spätestens seit Aufnahme des Staatsschutzziels Tierschutz ins Grundgesetz (Art. 20a GG) im Jahr 2002 gegen das Tierschutzgesetz, wie bereits in einem Vermerk der Staatsanwaltschaft Dessau festgestellt ist:

„Die Tötung der Eintagsküken erfolgt hier gerade nicht aus dem Grund, dass die extreme Spezialisierung in der Hühnerzucht auf Legelinien , für den größten Teil der männlichen Küken keine Verwendung zulasse, diese Tiere daher als Tierabfall angesehen und aus diesen Gründen regelmäßig vergast oder im sog. Kükenmuser getötet werden. Nur in solch einem Fall liegt eine eklatante Herabwürdigung der Küken als empfindungsfähiges Mitgeschöpf und somit kein vernünftiger Grund i.S.d. §17 Nr. 1 TierSchG vor“ (Einstellungsbescheid der StA Dessau v. 27.12.2005, AZ. 161 Js 10558/05)

Die Ermittlungen haben ergeben, dass zumindest ein Teil dieser Küken getötet wird, ohne „Verwendung“ zu finden – sie sind in der Verbrennung gelandet.

Schnabelkürzen

Neben diesen routinemäßigen Perversitäten steht auch das Schnabelkürzen der Küken wiederum auf dem Prüfstand, was bei Lohmann/Aviagen ebenfalls in großem Stil vorgenommen wird und eigentlich auch von den vielen Ausnahmetatbeständen des Tierschutzgesetzes umfasst ist. Jedoch steht „das Kürzen der Schnabelspitzen von Legehennen bei unter 10 Tage alten Küken“ unter Erlaubnisvorbehalt der zuständigen Veterinärbehörde. Diese, nämlich das Veterinäramt Cuxhaven, reklamiert für sich, diese Ausnahmegenehmigungen, die einen umfangreichen und nicht einfachen Komplex betreffen, einfach nur mündlich gegenüber Lohmann/Aviagen erteilt zu haben – man sollte diese Farce einer Behörde auflösen.

Lohmann/Aviagen und die Politik

Führende Vertreter von Lohmann/Aviagen haben in dem Gremium gesessen, welches im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums als Vertreter der Tierzuchtwissenschaft die „Zuchtziele der Nutztierzucht unter Tierschutzaspekten“ erarbeiten sollte – die Arbeit endete 2005 mit einem Entwurf, der niemals Gesetzesreife erlangte und gerade das bestehende Problem der Qualzucht in der „Nutz“tierhaltung regeln sollte. Der Leiter dieses Gremiums, Prof. Dr. Glodek, duzt sich mit einem der Vertreter von Lohmann/Aviagen, Prof. Flock. Ein weiterer Lohmann-Vertreter, Prof. Preisinger, ist ständiger Autor des Sprachrohrs der konventionellen Geflügelwirtschaft und Schweineproduktion, die DGS. Die Geflügelproduktion ist aus der Neuregelung des Tierzuchtgesetzes 2006 im übrigen vollkommen rausgehalten worden – ein unerträgliches Regelungsdefizit, um wenigstens minimalste Regelungsfortschritte zu erreichen. Haben die Lohmann-Repräsentanten auf der Ebene des Bundesgesetzgebers dafür gesorgt?

Das ist pure Macht, die hinter diesen Konglomeraten steht und dafür sorgt, dass die ökonomischen Interessen des agrarindustriellen Komplexes schon auf Gesetzesebene gewahrt bleiben – Tierschutz ist für diese Industrie lästiges Beizeug, Tierrechtler verhasst. Die örtlichen Überwachungs- und Kontrollbehörden haben solche Konzerne ohnehin im Griff.

Was Sie tun können

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