Tierversuche in der Produktentwicklung – alle Informationen

Inhaltsverzeichnis:

Warum werden Tierversuche für Konsum- und Industrieartikel durchgeführt?

Tierversuche werden aus verschiedensten Gründen durchgeführt: Zum einen fordern unterschiedliche deutsche Gesetze, Verordnungen und EU-Richtlinien die Durchführung von Tierversuchen. Dabei handelt es sich oftmals um Toxizitätsprüfungen, die eine Art „Alibi-Funktion“ erfüllen: Die Tests sollen den Eindruck erwecken, die Produkte seien „sicher“ und „unbedenklich“. Tierversuche in der Produktentwicklung reichen von der Überprüfung chemischer Stoffe, wie sie auch in Kosmetika oder Haushaltsmitteln vorkommen, bis hin zur Entwicklung und Überprüfung von Arzneimitteln. Tierversuche als Gewähr für sichere Produkte bergen allerdings ein grundlegendes Problem.

Machen Tierversuche Sinn?

Tierversuche können Reaktionen beim Menschen nicht verlässlich vorhersagen. Die physiologischen Unterschiede zwischen verschiedenen Spezies sind einfach zu groß, als dass sich die Ergebnisse zuverlässig auf den Menschen übertragen ließen – dies wird durch immer mehr Daten belegt. Selbst bei Mäusen und Ratten wirken Substanzen oft komplett unterschiedlich [1, 2]; verständlich also, dass der Unterschied zum Menschen ebenfalls riesig ist.

Aspirin, eines der am häufigsten verwendeten Medikamente weltweit, hat ein umfassendes toxikologisches Profil im Tierversuch: Beispielsweise ist es in für Menschen unbedenklicher Dosis tödlich für Ratten und führt bei Katzen, Hunden, Affen, Mäusen, Kaninchen und Ratten zu missgebildeten Nachkommen. Ähnlich verhält es sich bei Paracetamol, das bei Nagetieren krebsauslösend wirkt. [3] 92 bis 95 Prozent aller medizinischen Wirkstoffe, die im Tierversuch als wirksam und sicher gelten, kommen niemals auf den Markt [4, 5, 6] – weil das Medikament beim Menschen nicht wirkt oder sogar gefährliche Nebenwirkungen auftreten.

Offensichtlich wird diese Problematik, wenn es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Pharmaskandalen wie beispielsweise um Contergan, TGN1412 oder Viagra kommt. Kurzum: Es ist schlichtweg nicht möglich, mittels Tierversuchen sichere Schlussfolgerungen für den Menschen zu ziehen. Tierversuche sind nicht nur grausam, sondern auch unwissenschaftlich und oft sogar gefährlich.

Tierversuche für Kosmetik

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Thematik seit März 2013 in der EU ganz klar sein sollte: Denn seither gilt mit der Europäischen Kosmetikverordnung ein Verkaufsverbot für Kosmetikprodukte, für deren Inhaltsstoffe nach diesem Datum Tierversuche durchgeführt wurden.

Doch die unklare Auslegung der Gesetze führt dazu, dass die Realität anders aussieht: Zum Beispiel sorgt der Produktimport nach China dafür, dass für Mascara, Duschgel oder Shampoo immer noch Tierversuche durchgeführt werden, denn dort sind Tierversuche in vielen Fällen vorgeschrieben. Einige Firmen nehmen für den Import ihrer Produkte nach China Tierversuche also in Kauf – und dürfen die gleichen Produkte trotzdem auch in der EU verkaufen.

Außerdem werden viele chemische Inhaltsstoffe, die in Kosmetika verwendet werden (z. B. Duft- und Farbstoffe), unter dem Deckmantel der Europäischen Chemikalienverordnung REACH weiterhin in grausamen Tierversuchen getestet. Beispielsweise müssen Nagetiere Chemikalien einatmen, was oft zu Übelkeit und Krämpfen führt. Auch schwangere Tiere werden missbraucht: Um die Auswirkung auf ungeborene Tiere zu untersuchen, werden schwangeren Ratten oder Kaninchen Inhaltsstoffe aus Kosmetika verabreicht, bevor sie und ihre ungeborenen Jungen seziert werden.

Vorsicht ist geboten, wenn Kosmetikhersteller mit schönen Slogans werben. „Wir machen keine Tierversuche“ kann dennoch bedeuten, dass Tierversuche in Auftrag gegeben werden. „Unsere Produkte werden nicht an Tieren getestet“ bezieht sich auf das fertige Produkt und schließt leider nicht aus, dass Inhaltsstoffe an Tieren getestet werden. Einkaufshilfe bietet unsere Website Kosmetik ohne Tierversuche. Hier finden Sie Hersteller, die PETA schriftlich zugesichert haben, keinerlei Tierversuche durchzuführen, in Kauf zu nehmen oder zu finanzieren.

Tierversuche für Chemikalien

Ob in Textilien, Lebensmitteln, Kunststoffen, Farben, Reinigungs- und anderen Haushaltsmitteln oder Klebstoffen: Chemikalien sind aus unserem Leben nicht wegzudenken. Die EU verabschiedete im Jahr 2006 die sogenannte REACH-Verordnung: Diese verpflichtet Unternehmen, Daten über die möglichen Auswirkungen von Chemikalien auf Mensch und Umwelt vorzulegen. Dafür werden oft auch Tierversuche gefordert. Eigentlich gestattet REACH diese nur als letzte verbleibende Möglichkeit, doch bis 2010 wurden bereits über 200.000 Tiere in Versuchen missbraucht. Bis 2016 hat sich die Zahl auf über eine Million Tiere erhöht. So erleiden zahlreiche Mäuse und Ratten beispielsweise Krämpfe, Zitteranfälle oder andere Nebenwirkungen – denn sie müssen giftige Chemikalien einatmen oder die toxischen Stoffe werden ihnen gespritzt oder direkt in den Magen gepumpt.

Doch bieten Tierversuche wirklich Schutz vor giftigen Substanzen? Nein, im Gegenteil: Irreführende Tierversuchsergebnisse führen immer wieder dazu, dass die Gefährlichkeit von Stoffen zu spät erkannt wird. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass beispielsweise die für Menschen höchst gefährlichen Asbest-Fasern in Tierversuchen mit Ratten zu ganz anderen Ergebnissen kommen: Für die Tiere wird Asbest erst bei einer 300-mal höheren Dosis vergleichbar bedenklich. [7]

Wer für Weichspüler oder Badreiniger kein Tierleid in Kauf nehmen möchte, kann sich zusätzlich zu tierversuchsfreier Kosmetik auch über tierversuchsfreie Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln informieren.

Reagenzgläser

Tierversuche für Lebensmittel und Getränke

Sogar für Nudeln, Frühstücksflocken und Tee können Tierversuche gemacht werden. In diesen Experimenten werden zum Beispiel Mäuse zwangsernährt oder ausgehungert, müssen auf heißen Platten stehen und werden am Ende der Versuche oft getötet. Weitere Informationen dazu und eine Liste mit Lebensmittelherstellern, die keine Tierversuche durchführen, finden Sie auf unserer Informationsseite für Lebensmittel und Getränke.

Tierversuche für Tiernahrung

Wer sich dafür entschieden hat, einen tierischen Mitbewohner bei sich aufzunehmen, kommt schnell an den Punkt, sich Gedanken über gesunde und artgerechte Tiernahrung zu machen. Zum einen möchte man dem Tier eine Ernährung bieten, die seinen natürlichen Bedürfnissen möglichst nahekommt, zum anderen wollen die meisten Menschen vermeiden, dass für die Mahlzeiten ihres tierischen Freundes andere Tiere leiden müssen. Vielen Tierhaltern ist jedoch nicht klar, dass auch für Tiernahrung Experimente an Hunden und Katzen durchgeführt werden. Die Tiere fristen ein trauriges Leben im Versuchslabor und werden im Laufe der Tests, die weder gesetzlich vorgeschrieben noch in irgendeiner Weise notwendig sind, gezielt krank gemacht oder sogar getötet.

PETAs Liste mit tierversuchsfreier Tiernahrung hilft Tierhaltern bei der Suche nach Tiernahrung, die man ohne Gewissenskonflikte kaufen kann. Dort werden ausschließlich Unternehmen gelistet, die keine Tierversuche durchführen oder finanzieren. Hersteller veganer Tiernahrung sind zusätzlich gekennzeichnet.

Warum werden keine tierversuchsfreien Methoden genutzt?

Obwohl bereits viele tierfreie Testmethoden zur Verfügung stehen, müssen Tiere noch immer in Experimenten leiden. Sie werden von ihren Artgenossen isoliert, in kleine Käfige gezwängt und müssen qualvolle Versuche ertragen. Spätestens nach Abschluss der Experimente werden die meisten von ihnen getötet. Dabei können toxikologische Tests für medizinische Wirkstoffe, Chemikalien, Kosmetika und Konsumgüter auch mithilfe von In-vitro-Tests basierend auf menschlichen Zellen durchgeführt werden. Außerdem gibt es zahlreiche 3-D-Organmodelle, an denen beispielsweise die Verstoffwechselung von Substanzen getestet werden kann. Innovationen reichen bis hin zur Nachstellung kompletter Organismen, wie etwa beim „Human-on-a-chip“. Ebenso können computergestützte Simulationen eine sinnvolle Alternative darstellen. Warum also kommen diese Methoden noch nicht überall zum Einsatz?

Im Gegensatz zu Tierversuchen erhalten tierversuchsfreie Methoden leider kaum finanzielle Förderungen durch Bund, Länder und andere Einrichtungen. Dazu kommt, dass die Validierung und offizielle Anerkennung tierfreier Versuchsmethoden langwierig und erst einmal teuer ist – bis ein tierfreier Test statt eines Tierversuchs offiziell verwendetet werden darf, ist es also ein langer Weg. Hier muss die Regierung noch mehr tun, Fördergelder gerechter verteilen und vor allem einen strategischen Ausstiegsplan aus Tierversuchen festlegen. Die Niederlande gehen bereits mit gutem Beispiel voran: 2016 gab die niederländische Regierung bekannt, bis 2025 ausschließlich tierfreie Methoden für Toxizitätstests zu verwenden. Diese bahnbrechende Entscheidung spiegelt sowohl die innovativen Fortschritte in der Forschung wider, als auch den Wandel in der ethischen Einstellung der Gesellschaft: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren.

Produkte ohne Tierversuche

Tierversuche sind nicht notwendig, um tolle Kosmetika, Haushaltsmittel oder andere Produkte herzustellen. In unseren Positivlisten finden Sie Hersteller, die ihre Produkte ohne Tierversuche entwickeln und vermarkten!

Was Sie gegen Tierversuche tun können

Wir müssen die Forschung mit tierfreien Methoden vorantreiben: Es ist Zeit für den Research Modernisation Deal!

PETAs Research Modernisation Deal ist ein lösungsorientierter Leitfaden für die Bundesregierung, der detailliert darlegt, wie grausame und unnötige Tierversuche in der Forschung durch moderne, tierfreie Methoden ersetzt werden können. Davon würden nicht nur wir Menschen profitieren – auch das unvorstellbare Leid von Millionen Mäusen, Hunden, Katzen, Affen und anderen Tieren hätte ein Ende.

Bitte unterschreiben Sie unsere Petition, mit der wir die Verantwortlichen und Entscheidungstragenden auffordern, eine verbindliche Strategie zum Ausstieg aus Tierversuchen zu erarbeiten und die Forschung zu modernisieren.

  • Quellen

    [1] Gottmann, E., 2001: Data Quality in Predictive Toxicology: Reproducibility of Rodent Carcinogenicity Experiments. Environmental Health Perspectives, vol. 109, pp. 509-514.

    [2] Hartung, T., 2009: Toxicology for the twenty-first century. Nature, vol. 460, pp. 208-212.

    [3] Hartung, T., 2009: Per aspirin ad astra. Alternatives to Laboratory Animals, vol. 37, suppl. 2, pp.
    45-47.

    [4] Food and Drug Administration Report, 2004: Innovation or Stagnation – Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products.

    [5] Arrowsmith, J., 2012: A decade of change. Nature Reviews Drug Discovery, vol. 11, pp. 17-18.

    [6] Hay, M. et al., 2014: Clinical development success rates for investigational drugs. Nature Biotechnology, vol. 32, pp. 40-51.

    [7] Rödelsperger, K., Woitowitz, H.-J., 1995: Airborne fibre concentrations and lung burden compared to the tumor response in rats and humans exposed to asbestos. Annals of Occupational Hygiene, vol. 39, no. 5, pp. 715-725.